Wohin mit der Wut?

Wohin mit der Wut?

In diesen drei Kindergottesdiensten zu Beginn der Passionszeit wird die starke Emotionsenergie „Wut“ in der Bibel entdeckt: ihre zerstörenden Wirkungen auf mich und andere. Und zwei überraschende Möglichkeiten, die Wut entweder im Gebet loszuwerden oder sie im Sinne Jesu einfach abzuschütteln. Kinder erfahren, wie das ihnen bekannte Gefühl „Wut“ in der Bibel ernstgenommen wird und Wege eröffnet werden, wie sie die Wut in den Griff bekommen können. Diese Einheit kann deshalb auch der Gewaltprävention dienen.

10.03.2019 (1. Sonntag der Passionszeit: Invokavit)
1. Mose 4,1-16
Wut brennt in Kain

17.03.2019 (2. Sonntag der Passionszeit: Reminiszere)
Psalm 140
Wut auf böse Menschen

24.03.2019 (3. Sonntag der Passionszeit: Okuli)
Lukas 9,1-5.51-56
Wut einfach abschütteln

Die biblischen Texte

Im Alten Testament entspringen Emotionen nicht – wie im europäischen Denken verinnerlicht – im Körper des Menschen, sondern Menschen werden in den Bereich eines Gefühls hineingezogen, überwältigt und beherrscht. So kommt auch die Wut wie ein mächtiges Tier über Kain, als er neidisch auf das Glück seines Bruders sieht. Sein Körper reagiert mit blinder Aggression: Er ermordet Abel. Kain hätte diese brennende Wut beherrschen können. Denn Gott will keine Steigerung von Wut zum Totschlag. Wut, die zur Tötung eines Menschen führt und damit Gott als Schöpfer des Lebens missachtet, wird als Sünde (hier erstmals im Alten Testament!) bezeichnet. Menschen sind „anfällig“ für Wut, Gewalt und Gegengewalt! Gott jedoch unterbricht diese Gewaltspirale sichtbar mit einem Zeichen (siehe Kainszeichen).

Die Wut auf böse Menschen, Feinde oder Gewalttäter findet in vielen Psalmen krasse Worte. Die Wut über Ungerechtigkeit, Verletzung, Gewalt und Bedrohung kommt zur Sprache, auch der Wunsch, dass die Bösen zur Rechenschaft gezogen werden. Immer steckt ein Mensch in großer Not und erwartet Rettung von Gott (Du bist mein Gott, V.7). Gott soll zum Eingreifen bewegt werden. Er soll dem Tun der Feinde mit ihren eigenen Mitteln (z.B. glühende Kohlen) ein Ende setzen.
Das ist der Clou der Feindpsalmen und ihrer verstörenden Bilder: Wir sollen nicht in blinder Wut zurückschlagen, sondern die Wut im Beten richtig rauslassen vor Gott. Denn Gott allein kann die Macht des Bösen lähmen. Schon das Aussprechen von Angst und Wut gibt wieder Luft zum Atmen und stärkt die Hoffnung: Mit Gott muss nichts so bleiben, wie es augenscheinlich ist. Weil allein Gott die Aktionen gegen die Bösen vorbehalten sind, bleibt auch für die Feinde noch ein Rest Hoffnung: die Aufrechten werden vor deinem Angesicht bestehen bleiben (V.14).

Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Als die Wut die Jünger überfällt, fällt ihnen die seelsorgliche Weisung Jesu nicht mehr ein: „Wo sie euch nicht aufnehmen, aus jenem Ort zieht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen zum Zeugnis gegen sie.“ (Vers 5). Sie fallen in das alte Gewaltschema aus der Zeit des Propheten Elia (2Kön 1,1.12) zurück.
Doch Jesus weist sie mit dem gleichen Wort – wie den Wind und die Wellen – zur Gewaltlosigkeit zurück. (vgl. Lukas 8,24; Apg 13,52). Sie sollen die Beziehungsversuche abbrechen und die gastunfreundlichen Menschen dem Gericht Gottes überlassen. Statt wütendes Feuer und verbrannter Erde soll leiser Staub auf die Erde fallen. Die alte Wut wird schlicht begraben. Und befreit davon kann es woanders weitergehen.

Entfaltung

In einem monatlichen Kindergottesdienst mit viel Zeit werden die drei Bibeltexte in einem „Wohin mit der Wut-Weg“ entdeckt und vertieft:


Klagen:
Kain wurde von der Wut überfallen und beherrscht. Und ich?
Kinder gestalten Klagebilder mit Kreidefarben (rot, weiß, schwarz) auf braunem Packpapier und zerknüllen es lautstark.
Wer mag, erzählt von seinen Wuterfahrungen.


Wut auf andere:
Kinder gestalten ihren eigenen Wutpsalm mit Gouache: Ich bin wütend über, auf. Laut oder leise werden diese Wutworte Gott anvertraut.


Wut abschütteln und befreit umkehren:
Graue Tücher werden Kindern um die Füße gelegt. Die Kinder probieren verschiedene „Abschüttel-Varianten“ aus. Gemeinsam werden die dabei gemachten Erfahrungen reflektiert.

1. Mose 4,1-16

Im Alten Testament entspringen Emotionen nicht – wie im europäischen Denken verinnerlicht – im Körper des Menschen, sondern Menschen werden in den Bereich eines Gefühls hineingezogen, überwältigt und beherrscht. So kommt auch die Wut wie ein mächtiges Tier über Kain, als er neidisch auf das Glück seines Bruders sieht. Sein Körper reagiert mit blinder Aggression: Er ermordet Abel. Kain hätte diese brennende Wut beherrschen können. Denn Gott will keine Steigerung von Wut zum Totschlag. Wut, die zur Tötung eines Menschen führt und damit Gott als Schöpfer des Lebens missachtet, wird als Sünde (hier erstmals im Alten Testament!) bezeichnet. Menschen sind „anfällig“ für Wut, Gewalt und Gegengewalt! Gott jedoch unterbricht diese Gewaltspirale sichtbar mit einem Zeichen (siehe Kainszeichen).

Wut brennt in Kain

Die Geschichte von Kain und Abel wird aus der Perspektive einer Erzählerin erzählt. Sie kann das Verhalten Kains und seine Wutgefühle mit Abstand gut beschreiben. Das Verhalten Gottes beim Opferritual wird dabei nicht thematisiert. Es bleibt ein Geheimnis. Dagegen werden die Bemühungen von JHWH um Gewaltbegrenzung stark hervorgehoben. Er will Gewalt verhindern und unterbrechen.
In einem theologischen Gespräch mit Kindern steht die Wut und ihre schlimmen Folgen im Mittelpunkt. Persönliche Erfahrungen der Kinder werden sehr wertschätzend und nicht wertend oder urteilend wahrgenommen.
Mit Kreidefarben (rot, weiß, schwarz) wird das, was jeweils am stärksten berührt hat, auf Paketpapier gestaltet.
Wenn Zeit ist, können einzelne Kinder ihre Wutbilder vorstellen.

Lied: Meine Wut (Angst) ist wie ein rotes Licht

Mutwort:
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse
mit Gutem. Römer 12,21

Psalm 140

Die Wut auf böse Menschen, Feinde oder Gewalttäter findet in vielen Psalmen krasse Worte. Die Wut über Ungerechtigkeit, Verletzung, Gewalt und Bedrohung kommt zur Sprache, auch der Wunsch, dass die Bösen zur Rechenschaft gezogen werden. Immer steckt ein Mensch in großer Not und erwartet Rettung von Gott (Du bist mein Gott, V.7). Gott soll zum Eingreifen bewegt werden. Er soll dem Tun der Feinde mit ihren eigenen Mitteln (z.B. glühende Kohlen) ein Ende setzen.
Das ist der Clou der Feindpsalmen und ihrer verstörenden Bilder: Wir sollen nicht in blinder Wut zurückschlagen, sondern die Wut im Beten richtig rauslassen vor Gott. Denn Gott allein kann die Macht des Bösen lähmen. Schon das Aussprechen von Angst und Wut gibt wieder Luft zum Atmen und stärkt die Hoffnung: Mit Gott muss nichts so bleiben, wie es augenscheinlich ist. Weil allein Gott die Aktionen gegen die Bösen vorbehalten sind, bleibt auch für die Feinde noch ein Rest Hoffnung: die Aufrechten werden vor deinem Angesicht bestehen bleiben (V.14).

Wut auf böse Menschen

Psalm 140 wird aus der Sicht des Mädchens Johanna erzählt. Sie wird von anderen Mitschülerinnen gemobbt, da sie sich kritisch über ein anderes Mädchen in einer Whatsapp Nachricht an ihre beste Freundin geäußert hat. Diese gab die Nachricht weiter. Als die Anfeindungen immer schlimmer werden, vertraut sie sich ihrer Patentante an. Die unternimmt mit Johanna am Wochenende eine Bergwanderung. An einem Gipfelkreuz ermutigt sie Johanna, ihre ganze Wut Gott entgegen zu schreien. Erst als sie den Anfang macht, schreit sich Johanna von ihrer ganzen Wut frei. Am Montag geht sie mutig zur Schulleiterin.

In einer kreativen Vertiefung gestalten die Kinder ihren eigenen Wutpsalm. Wichtig ist, dass Gott dabei immer Adressat bleibt und ihm das Handeln mit den bösen Menschen überlassen wird.

In einem „Wut-weg-Ritual“ können Kinder ihre Wut Gott entgegen
schreien.

Richtig lautes Kyrie-Lied: Christus, hör uns an, erbarme dich!

Klagewort: Errette mich, Gott, von den bösen Menschen. Psalm 140,2

Lukas 9,1-5.51-56

Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Als die Wut die Jünger überfällt, fällt ihnen die seelsorgliche Weisung Jesu nicht mehr ein: „Wo sie euch nicht aufnehmen, aus jenem Ort zieht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen zum Zeugnis gegen sie.“ (Vers 5). Sie fallen in das alte Gewaltschema aus der Zeit des Propheten Elia (2Kön 1,1.12) zurück.
Doch Jesus weist sie mit dem gleichen Wort – wie den Wind und die Wellen – zur Gewaltlosigkeit zurück. (vgl. Lukas 8,24; Apg 13,52). Sie sollen die Beziehungsversuche abbrechen und die gastunfreundlichen Menschen dem Gericht Gottes überlassen. Statt wütendes Feuer und verbrannter Erde soll leiser Staub auf die Erde fallen. Die alte Wut wird schlicht begraben. Und befreit davon kann es woanders weitergehen.

Wut einfach abschütteln

Die Geschichte wird aus der Perspektive eines Jüngers erzählt. Er erlebt, wie Jesus ihm und den anderen vertraut und ihnen viel zutraut. Aber bei einer Quartiersuche läuft es nicht nach Plan. Er und sein Freund werden abgewiesen. Die Wut überfällt beide. Jesus bringt die Wut zum Schweigen und erinnert sie an seine Weisung: Schüttelt den Staub von euren Füßen und versucht es woanders. Im theologischen Gespräch mit den Kindern wird das Verhalten der Jünger und von Jesus mit den eigenen Erfahrungen verknüpft.

Verschiedene Körperübungen „Wutstaub abschütteln“ werden ausprobiert und reflektiert.
Lied: Gehn wir in Frieden, den Weg, den wir gekommen

Sendewort: Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf
meinem Weg. Psalm 119,105


Hintergrundinformationen

Glaubens- und Lebenswelten von Kindern begegnen

Wut ist ein intensives Gefühl, das den ganzen Menschen ergreifen, ihn regelrecht beherrschen kann. Wut ist wie ein Feuer, das auflodert und alles um sich verbrennt. Wut soll vertrackte Situationen verändern. Gezielte Wut (Zorn) richtet sich oft gegen Personen oder Sachen. Kinder wüten zornig und zürnen wütend. Das finden Erwachsene meistens nicht gut. Doch aggressive Gefühle zu spüren und auszudrücken ist eine wertvolle Kompetenz. Denn sie macht sichtbar, wie Kinder ungerechtes Verhalten ärgert. Oftmals stecken hinter Wutausbrüchen aber auch Hilflosigkeit und Überforderung eines Kindes: Wohin mit meiner Not? Kinder brauchen Gegenüber mit liebevollen klaren Grenzen, sonst wird ihr Wüten grenzenlos.

Entscheidungen auf dem Weg zu den Gottesdiensten

Kinder erfahren im Kindergottesdienst durch die drei gefeierten Bibeltexte: Wut ist ein starkes Gefühl. Doch sie kann schlimme Folgen haben. Gott traut uns Menschen zu, die Wut beherrschen zu können. Eigene Erfahrungen der Kinder finden Zeit und Raum: Wo ist mir das gelungen, wo nicht? Wo war meine Mitfreude größer, als der Neid?
Doch Wut ist gut, wo anderen Unrecht geschieht. Die Psalmen geben der Wut gegen böse Menschen eine Sprache. Kinder finden Zeit und Raum, die biblischen Wutbilder zu entdecken. Und sie können eigene Bilder für ihre Wut entwickeln und im Gebet vor Gott bringen.
Jesus und seine Jünger erfahren Ablehnung und Nichtaufnahme. Kinder finden Zeit und Raum, die Wut der Jünger und die Weisung Jesu, die Wut abzuschütteln, zu begreifen. Staubfrei umzudrehen und weiter zu gehen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Freiheit.

Weiterführendes

Vernetzung

Parallel zu diesen Kindergottesdiensten kann eine Gottesdienstreihe für Erwachsene und mit der Kindertagesstätte durchgeführt werden. Oder der monatliche Kindergottesdienst wird gemeinsam mit Eltern gefeiert, die ebenfalls die drei Orte handlungsorientiert erleben. Bei einem gemeinsamen Essen kann es zu einem Erfahrungsaustausch kommen: Wie ich mit Gottes Hilfe stärker, klüger, schneller … bin als die Wut.

Lieder

  • Meine Wut ist wie ein rotes Licht (KG 129, LJ 593)
  • Ein jeder kann kommen (LH 204, KuS 192)
  • Gehn wir in Frieden (LH 54, KG 219)
  • Dein Wort ist meines Fußes Leuchte (LH 217)
  • Anders als du (LH 244, KuS 556)
  • Ist Gott in mir, ist alles anders (LH 275)
  • Christus, hör uns an, erbarme dich (LH 211)

Praxishilfen

  • Udo Baer/Gabriele Frick-Baer: Der kleine Ärger und die große Wut. Weinheim und Basel: Beltz 2015 In diesem Buch geht es darum, wie verschieden sich Wut beim Einzelnen darstellt und wie man sich ganz persönlich in ihr zurechtfindet.
  • Christine Nöstlinger: Anna und die Wut. Wien: Dachs 1995 Dieses Wut-Bilderbuch ist ein Klassiker für die Kleinsten.

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