Damit aus Fremden Freunde werden – Fluchtgeschichten der Bibel

Damit aus Fremden Freunde werden – Fluchtgeschichten der Bibel

Fremd sein oder sich anpassen müssen, sich integrieren oder sich abgrenzen, das sind Themen, die die gesamte Bibel durchbuchstabiert. Sie kann in dieser Zeit mit unseren Erfahrungen mit Flucht und Migration Orientierung geben und Wege zeigen, die Gott schon längst gewiesen hat.

25.07.2021 (8. Sonntag nach Trinitatis)

  1. Mose 19,33-34 und Psalm 63,8
    „Denn auch ihr seid Fremdlinge gewesen“

01.08.2021 (9. Sonntag nach Trinitatis)
Rut 1 und 2,12
Flucht zu Fremden und Rückkehr mit einer Fremden

08.08.2021 (10. Sonntag nach Trinitatis)
Matthäus 2,13-15
Verfolgung macht vor keinem Halt

Die biblischen Texte

[evtl. Einleitendes zu allen Bibeltexten]

Die Worte in 3. Mose 19 formulieren Israels Grundgesetz. Ihnen kommt dieselbe Qualität wie den Zehn Geboten zu. Sie sind heilig, denn: „Ich bin der Herr, euer Gott!“, der euch das sagt. Gott erinnert Israel an die eigene Geschichte und die eigenen schmerzhaften Erfahrungen. Gott hat sie aus ihrer Unterdrückung befreit und in die Freiheit geführt. Das Volk Israel verdankt Gott Lebensraum und Lebensgrundlagen. Das soll ihre Aufnahme und Gastfreundschaft Geflüchteten und Fremden gegenüber bestimmen. Fremde werden um Gottes Willen aufgenommen, sie sind unter Gottes Schutz gestellt. Das gilt durch die Geschichte bis heute. Die Israeliten sollen wie Gottes Flügel für Bedrohte werden, unter denen sie Zuflucht finden, wie es Psalm 63,8 sagt.

Das Buch Rut erzählt die Geschichte von Menschen, deren Leben durch Armut und Hunger bedroht ist. Elimelech, seine Frau Noomi und ihre beiden Söhne können zu Hause in Bethlehem nicht überleben. Sie werden zu sogenannten „Wirtschaftsflüchtlingen“. Der Name ihrer Heimatstadt Bethlehem bedeutet übersetzt eigentlich „Brothausen“, aber nun ist nicht mehr viel davon zu verspüren. Viele Menschen vor und nach ihnen teilen dieses Schicksal bis heute. Noomis und Elimelechs Ziel ist Moab. Es ist eigentlich ein Feindesland. Doch dieses Land nimmt sie auf und gewährt ihnen Schutz. Sie können sich eine neue Existenz aufbauen. Die Integration gelingt durch die Heirat der Söhne mit den Moabiterinnen Orpa und Rut.
Aber dann geschieht eine neue Katastrophe. Erst stirbt Elimelech, dann die beiden Söhne nacheinander. Drei Frauen stehen vor dem Nichts. Noomi beschließt nach Bethlehem zurückzukehren. Ihre Schwiegertochter Rut, die in Moab zuhause ist, fühlt eine tiefe Verbundenheit Noomi gegenüber. Sie will Noomi in deren Heimat begleiten. Zurück in Bethlehem erfahren sie Schutz und Versorgung. Es gibt Menschen, die dort Gottes Weisungen achten. Noomis und Rut erleben in Bethlehem Menschen, die ihnen Zuflucht und Schutz bieten, so wie es das Psalmwort sagt, ‚unter Gottes Flügeln‘ (vgl. Rut 2,12).

Menschen fliehen zu allen Zeiten und in allen Regionen dieser Welt vor Lebensgefahren. Das macht vor keinem Halt – nicht vor Männern, Frauen, noch nicht einmal vor Kindern oder gar Säuglingen, vor keiner Religion und keiner Nationalität. Jesu Flucht nach Ägypten taucht ein in die Realität dieser Welt. Die Erzählung lässt tröstlich verspüren, dass Gott nicht fern bleibt, sondern dorthin kommt, wo Menschen leben, lieben, leiden, verfolgt werden, fliehen und sterben. Jesu Flucht zeigt: Gott geht mit. Sein Weg beginnt als Flüchtlingskind. Er wird verfolgt von der grausamen Brutalität eines Herrschers und endet unschuldig am Kreuz auf Golgatha. So nahe kommt Gott den Menschen, die solches ebenfalls erleiden müssen.

Entfaltung

Im Mittelpunkt dieses Gottesdienstes steht 3. Mose 19,33-34.
Der Gottesdienst könnte als ein großer generationsübergreifender Gottesdienst gefeiert werden, der in ein Begegnungsfest mündet. Eingeladen werden die Familien der Kindergottesdienstkinder und auch die Familien von Flüchtlingen, die wir in unserem Umfeld wahrnehmen.
Zu Beginn wird in einem Bodenbild der Wunsch jedes Menschen nach einem Zuhause von Kindern und Erwachsenen gemeinsam ins Bild gebracht.
Zur Frage „Was ist, wenn das gefährdet ist?“ erzählen Menschen von ihren Erfahrungen mit Flucht und Vertreibung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg oder der Zeit der DDR.
In einer Aktion wird die Situation vieler Flüchtlinge veranschaulicht. In vorbereiteten Stofftaschen sind unterschiedliche Dinge z. B. Süßigkeiten, Proviant für unterwegs, Kuschelkissen, Stofftier etc. verpackt. Jede Familie oder Gruppe von Gottesdienstbesuchern erhält eine solche Tasche. Hiermit gilt es, einen Weg durch die Kirche zurückzulegen. An unterschiedlichen Stationen kann es passieren, dass man von den wenigen Habseligkeiten aus unterschiedlichen Gründen (ein Grenzbeamter will bestochen werden – jemand will für eine Hilfe auf der Flucht bezahlt werden – Wertgegenstände werden abgenommen usw.) etwas abgeben muss. Das Bilderbuch „Meine liebsten Dinge müssen mit“ von Sepideh Sarihi erzählt davon.
Anhand von 3. Mose 19,33-34 wird erzählt, dass Gott sein Volk in einem grundlegenden Gebot eingeladen hat, das Verhältnis zu Fremden im eigenen Land neu zu sehen. Hierzu wird die Sicht des „Ubuntu“ vorgestellt. Kann das eine Perspektive für uns sein? Gemeinsam entwickeln wir Ideen, wie wir, Beheimatete und Fremde, „unter dem Schatten der Flügel Gottes Zuflucht finden“ können.

3. Mose 19,33-34 und Psalm 63,8

„Denn auch ihr seid Fremdlinge gewesen“

Die Bilderbuchgeschichte „Zuhause kann überall sein“ nimmt den Gedanken von 3. Mose 19 und Psalm 68 auf. Sie erzählt von einem Flüchtlingsmädchen, das sein Zuhause verloren hat. Nun leben sie in Europa. Hier ist alles anders. Abends verkriecht sich das Mädchen in seine „Kuscheldecke“ aus Symbolen, Bildern und Worten ihrer geliebten Heimat. Erst durch ein einheimisches Mädchen, gelingt es ihr, die Fremdheit zu überwinden. Immer mehr wächst sie in die Sprache und das neue Leben hinein. Und damit verändert sich auch ihre Kuscheldecke, denn sie nimmt die neuen Symbole und Begriffe auf.
Mit den Kindern gestalten wir mit Stoffmalfarben jeweils eine eigene Kuscheldecke aus einfachen Fleecedecken oder Fleecestoff vom Meter. Die jeweiligen Decken stellen wir einander vor.

Rut 1 und 2,12

Das Buch Rut erzählt die Geschichte von Menschen, deren Leben durch Armut und Hunger bedroht ist. Elimelech, seine Frau Noomi und ihre beiden Söhne können zu Hause in Bethlehem nicht überleben. Sie werden zu sogenannten „Wirtschaftsflüchtlingen“. Der Name ihrer Heimatstadt Bethlehem bedeutet übersetzt eigentlich „Brothausen“, aber nun ist nicht mehr viel davon zu verspüren. Viele Menschen vor und nach ihnen teilen dieses Schicksal bis heute. Noomis und Elimelechs Ziel ist Moab. Es ist eigentlich ein Feindesland. Doch dieses Land nimmt sie auf und gewährt ihnen Schutz. Sie können sich eine neue Existenz aufbauen. Die Integration gelingt durch die Heirat der Söhne mit den Moabiterinnen Orpa und Rut.
Aber dann geschieht eine neue Katastrophe. Erst stirbt Elimelech, dann die beiden Söhne nacheinander. Drei Frauen stehen vor dem Nichts. Noomi beschließt nach Bethlehem zurückzukehren. Ihre Schwiegertochter Rut, die in Moab zuhause ist, fühlt eine tiefe Verbundenheit Noomi gegenüber. Sie will Noomi in deren Heimat begleiten. Zurück in Bethlehem erfahren sie Schutz und Versorgung. Es gibt Menschen, die dort Gottes Weisungen achten. Noomis und Rut erleben in Bethlehem Menschen, die ihnen Zuflucht und Schutz bieten, so wie es das Psalmwort sagt, ‚unter Gottes Flügeln‘ (vgl. Rut 2,12).

Flucht zu Fremden und Rückkehr mit einer Fremden

Die Geschichte von Elimelechs und Noomis Not in Bethlehem und ihrer Flucht nach Moab wird erzählt. Im Mittelpunkt steht dabei, dass Menschen, die von Gott wissen und seine Gebote achten, sie freundlich aufnehmen und ihnen Schutz und Lebensmöglichkeiten bieten.
Wir suchen vorab Bilder heraus, die die ökonomische Not von Menschen zeigen und Bilder, die zeigen, wie Integration der Menschen, die auf ihrer Flucht zu uns kommen, bei uns gelingt.
Beide Bildmotive werden dann in 4 cm breite Streifen geschnitten und jeweils abwechselnd die Streifen des einen Bildes auf eine Seite und das andere auf die andere Seite, auf einen im Zickzack gefalteten Karton geklebt. Betrachtet man den Faltkarton von links, erkennt man das eine Motiv (z.B. die Not, vor der man flieht) und schaut man von rechts, sieht man das andere Motiv (das, was Mut macht, weil Menschen sich der Flüchtlinge annehmen). Wie dicht kann das zusammenliegen.

Matthäus 2,13-15

Menschen fliehen zu allen Zeiten und in allen Regionen dieser Welt vor Lebensgefahren. Das macht vor keinem Halt – nicht vor Männern, Frauen, noch nicht einmal vor Kindern oder gar Säuglingen, vor keiner Religion und keiner Nationalität. Jesu Flucht nach Ägypten taucht ein in die Realität dieser Welt. Die Erzählung lässt tröstlich verspüren, dass Gott nicht fern bleibt, sondern dorthin kommt, wo Menschen leben, lieben, leiden, verfolgt werden, fliehen und sterben. Jesu Flucht zeigt: Gott geht mit. Sein Weg beginnt als Flüchtlingskind. Er wird verfolgt von der grausamen Brutalität eines Herrschers und endet unschuldig am Kreuz auf Golgatha. So nahe kommt Gott den Menschen, die solches ebenfalls erleiden müssen.

Verfolgung macht vor keinem Halt

Auf dem Boden werden Tücher in Form eines Hauses gelegt. Kinder können sich nacheinander in das Haus setzen, die Augen schließen und sich das Leben in diesem Zuhause vorstellen. Krippenfiguren von Maria, Josef und dem Jesuskind, werden nun in das Haus gestellt. Wir erzählen von der Situation, nachdem die Weisen in ihre Länder zurückgekehrt sind. Normalität scheint bei der kleinen Familie eingekehrt zu sein. Schwarze Tücher werden anschließend um das Haus gelegt. In die Idylle bricht die Bedrohung durch Herodes ein.
Vom Haus aus gestalten wir mit Tüchern einen gewundenen Weg, der sich vom Haus entfernt. Legematerialien wie Steine, Dornen, Berge aus Tüchern und dunkle Schluchten dazwischen machen den Weg nicht nur ungewiss, sondern auch gefährlich. Wir überlegen, wohin der Weg führen kann.
Maria, Josef und das Kind werden auf diesen Weg gesetzt und von ihrer Flucht erzählt. Am Ende des Weges wird ebenfalls mit Legematerial das Ziel, Ägypten, gestaltet und an seine Bedeutung für das Volk Israel (Josef und Moses) erinnert. Das Land, aus dem die Israeliten damals flohen, wird nun das Ziel der Flucht für Maria, Josef und Jesus. Miteinander gestalten wir ein Haus für diese Flüchtlinge aus Bethlehem.


Hintergrundinformationen

Glaubens- und Lebenswelten von Kindern begegnen

In einer Welt, in der die lebensbedrohlichen Verhältnisse Menschen, darunter vor allem auch Kinder in die Flucht zu Hoffnungszielen wie Europa oder Nordamerika treiben, begegnen wir einander unweigerlich. In der Kita oder der Schule leben, spielen und lernen unsere Kinder mit den Flüchtlingskindern zusammen. Einerseits sind sie glücklich, einen Ort der Sicherheit gefunden zu haben. Gleichzeitig tragen sie furchtbare Erlebnisse in sich, die wir uns kaum vorstellen können und sind dadurch traumatisiert. Im Kindergarten nebenan erlebe ich ermutigend, wie unbefangen Kinder miteinander umgehen, wenn keine Vorurteile von außen sie beeinflussen. Diese Selbstverständlichkeit ist eine Chance sowohl für unsere Kinder, die hier oft in ungleich besseren Verhältnissen aufwachsen konnten, als auch für die, die auf ihrer Flucht zu uns kommen. In den biblischen Erzählungen dieser Reihe wird genau davon erzählt. Menschen mit all der Not fliehen zu müssen, treffen auf diejenigen, die in Sicherheit und einigermaßen geordneten Verhältnissen leben dürfen. Wie kann mit Gottes Hilfe eine Lösung für ein friedliches, hilfsbereites Miteinander gefunden und umgesetzt werden? Die afrikanische Philosophie des ‚Ubuntu‘ lehrt, dass alles, was lebt, miteinander verbunden ist. Ich selbst bin Teil eines Ganzen. „Ich bin, weil du bist.“ Wir können nicht ohne einander. Es gibt somit ein Band, das uns verbindet, und dieses Band lädt uns zum Teilen ein.

Entscheidungen auf dem Weg zu den Gottesdiensten

Diese Gottesdienstreihe ist wie ein ‚Erste-Hilfe-Kasten‘. Sie verlangt dennoch eine sorgfältige Vorbereitung. Vor allem sind auf diesem Weg die Erwachsenen, die Eltern und Angehörigen unserer Kinder in die Thematik mitzunehmen. Von daher müssen wir uns auf dem Weg zu den Gottesdiensten im Vorfeld mit verschiedenen Fragen beschäftigen.
Wie gehen wir mit den Gefährdungen um?
Was bedeutet mein Glaube, dort, wo mir alles fremd ist?
Wie weit kann und muss ich auf andere zugehen, mich öffnen oder mich anpassen?
Wo gilt es, mich abzugrenzen?
Und wie weit kann ich da gehen?
In den Gottesdiensten soll deutlich werden, dass die biblischen Erzählungen die Realität des menschlichen Lebens kennen, und zwar gerade auch die leidvolle Wirklichkeit. Was Flüchtlingen heute zugemutet wird, gehört sowohl zur Geschichte des Volkes Israel als auch zu der unseres eigenen Volkes. „Denn auch ihr seid Fremdlinge gewesen“.
Die Menschen setzen sich in ihrem Vertrauen auf Gott damit auseinander. Sie haben den Wunsch nach Geborgenheit und Sicherheit. Dennoch wissen sie, wie gefährdet und bedroht dieses Leben ist. Vor allem ist Leben niemals vereinzelt, sondern es ist Leben in Gemeinschaft.

Weiterführendes

Vernetzung

Das Thema bewegt viele Menschen in unseren Gemeinden und es wird oft heftig und kontrovers diskutiert – hoffentlich! Wir können uns mit Geschichten und Worten des Alten wie auch Neuen Testaments in diese Diskussion einbringen und sollten es auch. Warum wagen wir es nicht einmal für alle aus dem Blickwinkel der Kindergottesdienstkinder? Sie sind häufig in der Begegnung über Kindergarten, Schule oder Spielplatz direkt beteiligt. Ein Tagesangebot mit allen Generationen und zusammen mit denen, die zu uns gekommen sind, um hier Schutz und Sicherheit für sich und ihre Familien zu finden, wäre eine gute Möglichkeit.

Lieder

  • Mein Gott, das muss anders werden (KuS 443, MKL1 24)
  • Aus der Tiefe rufe ich zu dir (LH1 84, LHE 215)
  • Ich möchte, dass einer mit mir geht (EG 209)
  • Halte zu mir guter Gott (KuS 456, MKL1 52)
  • Wenn das Brot, das wir teilen (LHE 290, MKL2, 114)
  • Brich mit den Hungrigen dein Brot (EG 420)
  • Du verwandelst meine Trauer in Freude (KuS 411, LH1 64)

Liturgie

  • Psalm 34 (Dir kann ich alles sagen, S.33)
  • Psalm 84 (Dir kann ich alles sagen, S.70)
  • Psalm 102 (Dir kann ich alles sagen, S.100)
  • Psalm 126 (Dir kann ich alles sagen, S.132)

Links

https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/afrikas-ubuntu-die-philosophie-der-menschlichkeit-1/1411101
„Ubuntu“ (https://www.mimikama.at/allgemein/ubuntu-ich-bin-weil-wir-sind/)

Literatur und Bilderbücher

  • Johann Hinrich Clausen, Das Buch der Flucht – Die Bibel in 40 Stationen, München 2018
  • Claude K. Dubois, Akim rennt, Frankfurt am Main 62016
  • Irena Kobald, Zuhause kann überall sein, München 2015
  • Reinhard Ehgartner, Sternenbote. Eine Weihnachtsgeschichte, Innsbruck 2019
  • Schulz, Hermann: Die Reise nach Ägypten. Eine Geschichte für alle Jahreszeiten, München 2016
  • Sepideh Sarihi, Meine liebsten Dinge müssen mit, Weinheim 2018
  • Margriet Ruurs, Ramas Flucht, Hildesheim 2017
  • Weitere empfehlenswerte Kinderliteratur mit Gestaltungshinweisen findet sich im Eliport-Themenheft auf den Seiten 11, 22, 23, 24.

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